Georg Keintzels Studiensemester in Jena

von Dr. Dorin-Ioan RUS in Revista Bistriţei, vol XIX, Bistriţa, 2005

Eine der wichtigsten Persönlichkeiten Sächsisch-Reens war Georg Keintzel (1858 – 1925). Er wurde im Jahre 1858 als Sohn eines Holzhändlers in Sächsisch-Reen geboren,; nachdem er sein Studium in seiner Heimatstadt beendet hatte, besuchte er das Gymnasium in Bistritz1 und die Universitäten in Tübingen, Leipzig und Jena. Die Studienzeit in Jena ermöglichte ihm zwei wichtige Arbeiten für die Sächsisch-Regener Kultur zu leisten: Der •feliand im Verhältnis zu seinen Quellen2 und Über die Herkunft der Siebenbürger Sachsen3.

Die bildungspolitische Situation

In Siebenbürgen gab es ein gut organisiertes System von Gymnasial- und Lyzeumsunterricht. Die Deutschen in diesem Gebiet waren geradezu federführend bei der Einrichtung von Schulen und bei der Organisation des Unterrichts4. In den Schulen wurde hauptsächlich in deutscher Sprache unterrichtet. Dennoch waren auch rumänische und ungarisch-stämmige Schüler zugelassen5.

Abgesehen vom allgemeinen Schulunterricht existierte in Siebenbürgen für lange Zeit keine weiterführende Bildungseinrichtung. Höhere Schulen wurden im 19. Jahrhundert nur für Jura in Hermannstadt6 und für Medizin in Klausenburg errichtet.

Eine Universität im Sinne einer Hochschule hat jedoch in Siebenbürgen zu keiner Zeit existiert. Den angehenden Studenten blieb daher nichts anderes übrig als außerhalb ihrer Heimat zu studieren.

Dafür kamen im 18. und 19. Jahrhundert natürlich auf Grund der gemeinsamen Sprache zuerst deutschsprachige Universitäten in Frage. Besonders attraktiv waren die Universitäten in Berlin, Halle Leipzig, Göttingen und Jena, wobei sich die Präferenzen je nach politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen änderten.

Eine weitere Einschränkung bei der Auswahl der Universität stellte die Konfession der Siebenbürger dar. Da die meisten Siebenbürger Studenten evangelischer Konfession waren, kamen bevorzugt Universitäten des eigenen religiösen Glaubensbekenntnisses in Betracht7. Man kann deshalb sagen, dass dich die geistige und politische Elite der Sachsen, auf der Basis in Deutschland ausgebildeter Lehrer und Pfarrer entwickelte.

Die Universität Jena als eine Ersatz-Landesuniversität der ungarischen und siebenbürgischen Lutheraner

Nach 1870/71 ist das Bewusstsein für die internationale Stellung des älteren Jena in zunehmendem Maße geschwunden, zumal seither die Universität von den deutschen Großstadt-Universitäten erheblich überflügelt wurde und, ihrer Frequenz und ihrem Range nach, zu einer ausgesprochenen Klein-Universität herabsank. Dieser Vorgang ist nicht ohne Spuren im Traditionsbewusstsein der Universität geblieben. Er hat hier – wie an vielen anderen deutschen Universitäten seit 1870/71 – ein Schrumpfen ihres historischen Bewusstseins und ihrer internationalen Leistungen und Verbindungen eingeleitet, deren Folgen zur Vorherrschaft eines Provinzialismus führten, dessen man sich angesichts des ausländischen Hochschätzung deutscher Universitäten manchmal geradezu schämen muss.

1Lexikon der Siebenbürger Sachsen, Hg. Prof. Dr. Walter Myss, Thaur bei Innsbruck 1993, S.229. 2 Hermannstadt, 1882. 3 Bistritz, 1887. 4 Hermann Jekeli, Die Entwicklung der siebenbürgisch-sächsischen Schulwesens von der Anfängen bis zur Gegenwart, Mediasch, 1930.

5 *** Beiträge zur Kenntnis Sächsisch-Reens, Hermannstadt, 1870, Anhänge. 6 K. Gündisch, Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen, München 1998, S. 133 (die juristische Fakultät in Hermannstadt wurde im Jahre 1844 gegründet). 7 M. Szábo, Bezugs- und Beziehungseinrichtungen der Siebenbürgischen Landeskirchen für die Bildung einheimischen Intelligenz an ausländischen Universitäten im 18. und 19. Jahrhundert, in Universitas Budensis 1395-1995, Budapest 1997, S.261-268.

Diese unheilvolle Entwicklung der Vergangenheit, die einen Weg von der Weite zur Enge darstellt, gilt es heute durch Beharrlichkeit zu überwinden.

Ein wichtiges Mittel hierfür bildet die Erforschung der Rolle des Ausländer-Studiums an den deutschen Universitäten. Vergleicht man die Universität Wittenberg, an der von ihrer Gründung in Jahre 1502 bis zu ihrem Ende im Jahre 1812 insgesamt 2925 Ungarn studiert haben. So sieht man, dass Jena mit seinen 3000 Ungarn von 1558 bis 1918 im Punkte des Südosteuropäer-Studiums an der alten Metropole des Luthertums durchaus gleichkommt. Diese führende Stellung Jenas für den südosteuropäischen Protestantismus und seine gewaltige Hilfestellung für die Entwicklung der Intelligenz-Schichten im Prozess der Entstehung bürgerlicher Nationen in Südosteuropa ist auf ungarischer Seite längst bekannt und gewürdigt worden – so gut wie alle diesbezüglichen Forschungen und wissenschaftlichen Requisiten wurden bis heute von ungarnländischer und Siebenbürger Seite geliefert. Dabei leuchtet aber ein, dass ein solcher Vorgang zu einer bilateralen Erforschung auffordern und nicht nur unilateral betrieben werden sollte. Bis 1821 gab es in den habsburgischen Ländern des Südostens für die Protestanten aller Völker des großen Reiches keine evangelisch- theologische Lehranstalt mit Hochschulcharakter, sondern nur evangelische Lyzeen (Käsmark und Eperjes in der Slowakei, Teschen in Schlesien, Raab, Ödenburg und Pressburg in Ungarn und die sächsischen Anstalten in Siebenbürgen). Alle Pläne zur Errichtung einer solchen Anstalt seit dem 16.Jahrhundert, worüber die Rostocker Theologe David Chrytreus 1569 aus Wien erstmals berichtete, scheitern.

Außerdem hat die zweihundertjährige Martyrengeschichte des Protestantismus in Ungarn vor dem Toleranzpatent Josef II. von 1781 die slowakischen und deutschen Lutheraner Oberungarns an die Universitäten des protestantischen Deutschland geführt8. Dazu kamen die lutherischen Sachsen Siebenbürgens, die ebenfalls keine deutsche protestantische Universität besaßen. Aber nicht nur Theologen, sondern auch Juristen und Mediziner Ungarns und Siebenbürgens gingen nach Deutschland zum Studium. Lediglich die ungarischen Calvinisten begnügten sich nicht immer mit dem Studium in Deutschland und gingen auch nach Frankreich, in die Schweiz und nach England. Die Wiener evangelisch-theologische Lehranstalt, die durch die Absperrungsbedürfnisse des Wiener Hofes gegenüber der ideellen Verhältnissen an den “demagogischen” Universitäten Deutschlands gefördert wurden, erhielt erst 1863 – nach dem Protestantenpatent des liberalen Ministerpräsidenten Schmerling – vollen Universitätscharakter und das Promotionsrecht. So kam es, dass die preußischen Universitäten Wittenberg und Halle das Studium der protestantischen Ungarnländern und Siebenbürger unterstützten und außerhalb Preußens besonders die Thüringische Universität Jena – neben der hannoverschen Göttingen – zu einer Art der Ersatz-Landesuniversität dieser Südosteuropäer wurden.

Diese Stellung Jenas im südosteuropäischen Luthertum war besonders im 18. Jahrhundert stark und hat nach der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, trotz der Gründung der Wiener Lehranstalt, angehalten9.

Die Universitätsstadt Jena

Eine prägende Veränderung in der Stadt Jena stellte die Zusammenarbeit von Carl Zeiss und Ernst Abbe seit 1866 dar. Abbe gilt als der Schöpfer der modernen Optik und ermöglichte so den wissenschaftlichen Mikroskopbau in der Zeiss-Werkstätte. Dieses Geschäft sollte Jena über die Grenzen des Landes hinaus bekannt machen. Die Universität Jena war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders vom Schaffen des Kurators

8 Dr. O. Feyl, Beiträge zur Geschichte der slawischen Verbindungen und internationalen Kontakte der Universität Jena, Jena, 1860, S.124. 9 Dr. O. Feyl, Beiträge zur Geschichte der slawischen Verbindungen und internationalen Kontakte der Universität Jena, Jena, 1860, S.125; O. Feyl, Exkurse zur Geschichte der südosteuropäischen Beziehungen der Universität Jena, in Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller Universität Jena, Jahrgang 4, 1954/55, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe, Heft 5/6, S.413-420

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Seebeck beeinflusst, der in Jena von 1851 bis 1877 tätig war. Er rief bedeutende Wissenschaftler und Gelehrte an die Universität. In den Geisteswissenschaften gehören dazu zum Beispiel der Pädagoge Karl Volkmar Stoy, der Historiker Droysen und der Nobelpreisträger Rudolf Euken. Einflussreiche Naturwissenschaftler, die in Jena lehrten waren unter anderen der Botaniker Matthias Jakob Schleiden und der Zoologe Ernst Haekel. An der theologischen Fakultät wirkte Karl August von Hase als Kirchenhistoriker und Hochschullehrer.

Der gute Ruf der Jenaer Universität war also im 19. Jahrhundert stark durch bekannte und bedeutende Professoren geprägt.

Verwaltungstechnisch gab es keine großen Veränderungen an der Hochschule, die Einfluss auf das Kommen von Studenten gehabt hätten10.

Georg Keintzel als Student

Der Reener Sachse Georg Keintzel schrieb sich am 23.April 1880 als Student an der Theologischen und Philologischen Fakultät der Jenaer Universität ein11. In den Matrikeln erscheint sein Name an der 6. Position, neben der auch die Ortschaft der letzten besuchten Universität (Leipzig) festgehalten ist12.

An der theologischen Fakultät besuchte er die Vorlesungen Professor Dietrich Schäfers13, über die Geschichte der neuen Zeit von der Reformation bis zur Revolution14, 3- mal pro Woche15, für die 12 Mark Honorar bezahlen sollte16; auch bei Professor Schäfer besuchte er eine Vorlesung für Historische Übungen17, gegen 4,5 Mark18, ein mal „privatissime gratis“. An derselben Fakultät hörte er auch die Vorlesungen des berühmten Professors Hase19, Kirchengeschichte von 1750 bis 1880, montags und freitags 20; das Honorar war 12 Mark21.

10 Tanja Schultze, Siebenbürgische- Sächsische Studenten an der Universität Jena. Ihre Motivation und Zahl in den Jahren 1847 bis 1886, Universitätsarchiv Jena, Sonderdrucke 260, S.7-8. 1 1 Szögi László, Magyarországi diákok németországi egyetemeken és föiskolákon 1789 -1919 (Ungarnländische Studenten an den deutschen Universitäten und Hochschulen 1789-1919), Budapest, 2001, S.357, Nr. 6948.

12 Universitätsarchiv Jena, Mikrofilm, Bestand A 1665e, Nr.237. 13 Schäfer, Johann Heinrich Dietrich; geb.16.05.1845 Bremen- ges.12.01.1929, Berlin; verheiratet Wilhelmine Theobald; Studium: Jena, Heidelberg, 1870 Kriegsdienst, 1871 Weiterstudien Göttingen; prof. für Lehramt an hohen Schulen, Gymnasiallehrer; 1876 wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Hanseatischen Geschichte Vereins; 1885 o. Prof. in Breslau; 1888 in Tübingen, 1896 in Heidelberg, 1903 Berlin, 1922 emer. Mitglied zahlreicher Akademien und belehrten Gesellschaften, Dr. h.c. Univ. Christiania Gröningen (Friedrich Stier, Lebensskizzen der Dozenten und Professoren an der Universität Jena 1548/58-1958, Manuskript, Jena, 1960, Archiv der Thüringischer Universität Landes Bibliothek Jena, Signatur H1C, Nr.84/1, Band IV, S.1754).

14 Vorlesungen an der Großherzoglichen Sächsischen Gesamt-Universität Jena im Sommer 1880, vom 19.April bis 31.August 1880, S. 9, 18. 1 5 Universitätsarchiv Jena, Einnahme Journal bei der Akademischen Questur zu Jena, Sommersemester 1880, G/Abt. I/247, S. 58, Nr.1709.

16 Universitätsarchiv Jena, Register und Restverzeichnis zum Einnahme Journal bei der akademischen Questur zu Jena, Sommersemester 1880, G/Abt.1/249, S.45. 17 Vorlesungen an der Groß…, S. 9,18. 18 Universitätsarchiv Jena, Einnahme Journal…, S.58, Nr.1710 und 2709.

19 Hase, von Karl August, Professor für Theologie, Kirchengeschichte und Dogmatik; geb. 25.08.1800 Niedersteinbach bei Pening – ges.3.01.1890 Jena; Verheiratet Pauline Härtel; 1813 Gymnasium in Altenburg (mit fürstlichem Schönburgischen Stipendium), Studium in Leipzig, dann, da von da wegen Teilnahme an der Burschenschaft vermieden, Erlangen; 1823 Pdz. Tübingen, wegen Teilnahme an der Burschenschaft Erlangen, 10 Monate Haft an der Hohenansperg; 1829 Privatdozent Leipzig, 1830 außenordentlicher Professor der Theologie h. c. Tübingen; 1836 o. Prof. Jena; 1873, 4.6. Dr. jur. h.c.

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An der philologischen Fakultät besuchte er kostenlos22 die Übungen des Deutschen Seminars 23 beim Professor Sievers 24 , und Althochdeutsche Grammatik und Erklärung ausgewählten altdeutschen Denkmäler25, beim denselben Professor, gegen 12 Mark Honorar26.

Als Student, wohnte er im Venushaus von Jena27. Da er keine Einnahmequelle hatte, musste er Mitglied einer Gesellschaft werden um sein Honorar bezahlen zu können. Über seine Gehörigkeit zu einem öffentlichen Freitisch, wie dem Ungarntisch28, sind einige Angaben im Jenaer Universitätsarchiv zu finden.

Jena; 1883 Emerit i. d. erblichen Adelstand erhoben; seine Bibliothek als Geschenk und Erben in

Universitätsbibliothek Jena (Friedrich Stier, a. a. O., Bd.2, S.714). 20 Vorlesungen an der Groß…, S. 4,12. 21 Universitätsarchiv Jena, Einnahme Journal… S. 90, Nr.2707. 22 Universitätsarchiv Jena, Register und Restverzeichnis…, S.58; Einnahme Journal… S. 90, Nr.2708. 23 Vorlesungen an der Gross…, S. 10, 17.

24 Sievers, Georg Eduard. Geb. 25.11.1850 Lippoldsberg (Hessen)- Ges: 30.3.1932 Leipzig; Verheiratet Alice Towell aus Dublin; Privatunterricht und Volksschule – 1863 Gymnasium Kessel; 1867 Student Leipzig, Berlin; 1869 Studienreise nach Saint Gallen; 1870, 6.10, Dr. Phil Leipzig, (Dissertation: Untersuchungen zu Titian); Studienreise nach London, Oxford; 1871 1.10, außerordentlicher Prof. in Jena, 1874 in Freiburg, Halle, 1876 in Bonn; 1876 ordentlicher Professor in Jena; 1883 Cambridge USA; 1883 o. Professor in Tübingen, 1887 Halle, 1892 Leipzig; 1911 Dr. h.c. Univ. Christiania, 1923 Emerit (Friedrich Stier, a. a. O., Band IV, S.1940)

25 Vorlesungen an der Groß…, S. 10. 26 Universitätsarchiv Jena, Einnahme Journal… S. 58, Nr.1708. 27 Universitätsarchiv Jena, Verzeichnis der Lehrer, Behörden, beamten und Studierenden des Großherzoglichen und Herzoglichen Sächsischen Gesamt-Universität Jena im Sommersemester 1880, Aufgestellt von Louis Walter, Nr. 108, Jena, 1880, S.2). 28 Universitätsarchiv Jena, Bestand BA,1278, Acta Academica betreffend die Verleihung der Stellen an dem Senats und Ungarn Freitisch, 1873 bis 1889, S. 78a-79v.

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SEMESTRUL DE STUDII IN JENA A LUI GEORG KEINTZEL

-Rezumat-

Una din cele mai importante personalitati ale reghinului a fost georg Keintzel. Acesta a frecventat universitatile din Tübingen, Leipzig si Jena. Destre aceasta ultima sedere universitara relateaza in cele de mai sus autorul. El prezinta mai intai situatia generala a invatamantului din Transilvania si rolul conducator pe care l-a avut universitatea din jena in formarea elitei intelectuale ardetene in epoca moderna.

Keintzel a frecventat cursurile facultatilor de teologie si filologie, audiind cursurile unor professori celebri precum Hase, Schäfer, Seivert, asa cum o demonstreaza si actele de presenta cercetate de catre autor in arhiva universitatii din Jena.

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