Dorin-Ioan RUS
Kulturen in Begegnung. Colegium Pontes Görlitz-Zgorzelec-Zhořelec 2003,
Görlitz, 2004, S. 145-160
Das Projekt von der SZ-Redaktion kommt ins Gespräch mit Augenzeugen des 17. Juni, um Erlebnisse unterschiedlichster Art aufzuschreiben. Gefragt sind insbesondere die Generation der heute etwa ab 60-jährigen. Sie sind diejenigen, die dieses und jenes sahen, die über dieses und jenes sprachen, die dieses und jenes hörten. Sie sind also diejenigen, die haben berichten können.
Augenzeugenberichte sind eine wichtige Quelle für die Geschichtsschreibung. Aus ihnen lassen sich Schlüsse ziehen zu einer Gesamtbeurteilung eines Ereignisses. Alle sind wichtige Quellen für die Zeitgeschichte der Stadt Görlitz.
Die Ursachen des Volksaufstandes im Kontext allgemeiner Krise von DDR
Die Ursachen des Volksaufstands in der DDR gehen auf die II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 zurück. Dort hatte SED-Generalsekretär Walter Ulbricht unter dem Beifall der Delegierten den Aufbau des Sozialismus verkündet. Mit der II. Parteikonferenz reagiert die SED auf die sehr schwierige ökonomische und soziale Situation der DDR. Die Staatsfinanzen sind durch die wachsenden Militärausgaben und Reparationsleistungen an die UdSSR stark angespannt. Der übereilte Aufbau einer Schwerindustrie hat zu Versorgungsengpässen bei der Bevölkerung geführt. Mit der noch stärkeren Anpassung der DDR an das System des Stalinismus will die SED diese Probleme lösen.Die Folgen dieser forcierten Sowjetisierung sind eine schwere Ernährungskrise und ein Rückgang der industriellen Produktion. Viele Bewohner der DDR reagieren darauf mit Protest oder “Republikflucht” – so die SED-Formulierung. Die tiefgreifende wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Krise ist unübersehbar. Die SED-Führung reagiert darauf im Mai 1953 mit einem Gesetz zur Erhöhung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent. In Moskau bleibt die Krise in der DDR nicht unbemerkt. Das Politbüro der SED wird zu einem einmaligen Schuldeingeständnis und zu einem “Neuen Kurs” gezwungen. Am 11. Juni 1953 verspricht es, die Preise zu senken, die Versorgung zu verbessern, die Kollektivierung der Landwirtschaft zu beenden und enteignete Betriebe zurückzugeben. Von der Erhöhung der Arbeitsnormen rückt die SED-Führung jedoch nicht ab. Insbesondere die Arbeiterschaft sieht sich dadurch bestraft. Am 15. und 16. Juni 1953 kommt es auf den Ost-Berliner Großbaustellen zu Protestaktionen. Bald geht es nicht mehr allein um eine Rücknahme der Normenerhöhung, die Arbeiter fordern auch freie Wahlen, die Wiedervereinigung und die Ablösung Ulbrichts. Die Demonstrationen werden am nächsten Tag fortgesetzt und greifen auf die gesamte DDR über. Für den Westen zeigt der Aufstand den Freiheitswillen der DDR-Bevölkerung. Durch Gesetz vom 4. August 1953 wird der 17. Juni in der Bundesrepublik Deutschland zum “Tag der deutschen Einheit” und zum “nationalen Gedenktag” erhoben.
17. Juni 1953 Volksaufstand
Im Mai und Juni 1953 streikten und demonstrierten in der DDR täglich Tausende Arbeiter gegen Lohnminderung und Heraufsetzung der Leistungsnormen. Der DDR-Führung gelang es nicht, die Proteste einzudämmen. Schließlich verhängte der sowjetische Stadtkommandant von Berlin den Ausnahmezustand und ließ Panzer auffahren, um den Aufstand niederzuschlagen. Das geschah am 17. Juni 1953.
….
Am Organisationsgrad und an den politischen Forderungen gemessen geht der Aufstand in Görlitz am weitesten. In der Grenzstadt beginnen die Unruhen in den nahe gelegenen Waggonbaubetrieben. Die Arbeiter bilden ein Streikkomitee und ziehen nach Görlitz, wo sich andere Betriebe dem Demonstrationszug anschließen. Systematisch werden Gebäude der SED, der Staatssicherheit, der Massenorganisationen, die Strafvollzugsanstalt und das HO-Kaufhaus besetzt. Danach bewegt sich die Demonstration zum Rathaus der Stadt, wo der Oberbürgermeister seines Amtes enthoben und eine neue Stadtverwaltung (“Stadtkomitee”) konstituiert wird. Die Gefangenen werden befreit. Die streikenden Arbeiter schaffen sich mit der neuen Verwaltung ein ihre Interessen vertretendes Machtorgan. Ähnlich wie in Bitterfeld wird ein klarer politischer Forderungskatalog erhoben. Durch den hohen Anteil von Vertriebenen in der Görlitzer Bevölkerung bekommt zudem die Forderung nach Revidierung der Oder-Neiße-Grenzverträge ein besonderes Gewicht. Insgesamt beteiligen sich schätzungsweise 50 000 Menschen an diesem Tage in Görlitz an den Demonstrationen. Erst der Einsatz der sowjetischen Besatzungstruppen nach der Verhängung des “Belagerungszustandes” konnte die weit fortgeschrittene Entwicklung stoppen.
Die Forderungen der Görlitzer Aufständer
Viele der Lehrer hatten sich auf die Seite der Arbeiter gestellt. In der Oberschule hatten sich die Schüler in der Aula versammelt, ein Komitee gewählt, das die Absetzung von zwei linientreuen Lehrern verlangte und beschloß, dass die FDJ sich nicht mehr in den Lehrplan einmischen dürfe, dass die Gesellschaft für Sport und Technik in der Schule nichts mehr zu suchen habe. Die russischen Lehrbücher waren mit großem Hallo aus dem Fenster geworfen worden. Auf der Straße hat man sie dann verbrannt.
Der damalige Oberkonsistorialrat Hans-Joachim Fränkel, hat am 17. Juni 1953 dem damaligen sowjetischen Kommandanten drei Forderungen gestellt: 1. Übergabe der Macht an die Konterrevolution, 2. Öffnung der Grenze zur VR Polen, 3. Befreiung der politischen Gefangenen. Die Kirchenleitung begünstigte die Befreiung und Unterbringung der Gefangenen aus der Haftanstalt Görlitz.
Peter Mende war am 17. Juni 1953 18 Jahre alt und stand vor dem Lehrabschluss. Damals arbeitete er in einer Zubehörteile beim Lowa und hörte über ein Radio von in Berlin streikenden Bauarbeitern. Nach 50 Jahren erzählt er über eine Resolution die er seinen Kollegen am 18 Juni kundgetan hat, wo es „um freie demokratische Wahlen und um die Freilassung der in den vorangegangenen 24 Stunden Festgenommenen“ ging.
Die Forderungen der Görlitzer Arbeiter erscheinen auch in der Berichten der Polizei:
6.00 Uhr. SVA Görlitz meldet Auffinden eines Herzplakates. Inhalt: „Arbeiter: Streik gegen Normerhöhung! Wir fordern freie Wahlen! Nieder mit Grotewohl und Ulbricht!“.
9. 45 Uhr. Die Demonstrierenden führen Transparente mit der Losung bei sich: „wir erklären uns solidarisch mit den Arbeitern in Berlin! Streik gegen Normerhöhung!“.
10.48 Uhr. Die Demonstranten begehen die Berliner Straße mit Plakaten: „Nieder mit der Oder-Neiße Grenze!“, „Wir fordern freie Wahlen“. Geschätzte Stärke: Ca. 3000 bis 4000 Personen.
14.20 Uhr. Leiter HO-Warenhaus: Häftlinge stehen im Kaufhaus und verlangen eingekleidet zu werden.
Akte gegen der Polizei
11. 20 Uhr. Anruf Betriebsschutz HO-Warenhaus, dass vor dem Haus ein VP-Angehöriger erschlagen und beraubt worden ist.
13.00 Uhr. SVA, Kommissarin Stritzke: Demonstranten haben die unteren Türen im äußeren Hof zerschlagen. Beginnen einzudringen. Verstärkung dringend erforderlich.
13.10 Uhr. SVA-Rat Kerinnis: Hilfe! Eindringlinge brechen in die Zellen ein. Es kam zu ersten Tätlichkeiten.
13.40 Uhr. Staatliches Rundfunkkomitee: Sofort Polizisten zur Sendestation Heinzelstraße. Gefahr der Besetzung durch Demonstranten.
13.58 Uhr. SVA, Stritzke: Demonstranten beginnen VP in die Zellen zu sperren.
14.58 Uhr. Hauptwachtmeister Götze: Der von Hptwm. Rieger gefahrene Lkw wurde, nachdem Rieger niedergeschlagen worden war, von Demonstranten weggefahren.
17. 40 Uhr. ABV Mendzigall: Rund 200 Personen drangen in seine Privatwohnung ein, rissen ihm Schulterstücke ab und verlangten den Dienstausweis. Das Dienstbuch ist allerdings ebenso noch in seinem Besitz wie seine Dienstwaffe.
18. 55 Uhr. ABV Köhler: Menschenmenge auf der Thälmannstraße hat sich in im wesentlichen verlaufen. KPV hat aufgeräumt.
Carla Trüol wohnte im Jahr 1953 auf der Thälmanstraße 50, direkt gegenüber der sowjetischen Kommandantur. Die damals 14-Jährige erlebte, dass ihr Vater als Arzt von den Demonstranten benötigt wurde: „Von unserer Wohnung aus konnten wir ziemlich gut das Stasi-Gebäude einsehen. Es kamen dann auch Massen auf die Thälmannstraße, und ein Teil stürmte die „schwarze Villa“. Nach einiger Zeit öfnete sich die Tür und man stieß einen Mann heraus, und die Leute schlugen auf ihn ein. Es soll aber angeblich ein Gefangener gewesen sein, den man als Köder in Uniform gesteckt hatte, wurde jedenfalls später in Gerüchten gesagt. Jedenfalls musste der Verprügelte behandelt werden, und eben dazu wurde mein Vater zu den Demonstranten auf die Straße gerufen“.
Rosemarie Starke stellte ihre Görlitzer Erinnerungen an den 17. Juni 1953 unter www.dhm.de/lemo/forum/kollektives_gedaechtnis/177/index.html ins Internet. Als 16-Jährige war sie damals Lehrling in einer Verkaufsstelle. Für eine angehende Verkäuferin war der 17. Juni 1953 ein „unheimlicher Tag“: Ich hatte meine Kolleginnen aus den Augen verloren und war plötzlich allein inmitten der vielen verzweifelten und aufgebrachten Menschen. Als ich mich umsah, hatten die Aufständischen schon einen jungen Polizeibeamten aus dem Fenster geworfen. Viele riefen: „Hängt ihn auf, er soll für alle büßen.“ Ich kann nicht mit Worten beschreiben, wie schrecklich das für mich war.
Georg Walter war am 17. Juni 1953 fast 15 Jahre alt und mochte Schlosser werden. Er erzählte wie das Görlitzer Stasigebäude von Aufständer heimgesucht wurde: Von unserem Balkon aus verfolgten wir, was sich am Stasigebäude tat. Ein erster, der dort klingelte, war ein älteres Gemeindemitglied von Heilig Kreuz, ein Herr Tomczyk. Zunächst tat sich darauf nichts. Später hatten sich Schulkinder und andere Leute des Gebäudes bemächtigt und warfen Papier und anders aus den Fenstern.
Am 18. Juni:
10.40 Uhr. ABV Hiller zeigt an, dass ihm Demonstranten die Brieftasche mit 120 Mark entwendet haben.
Akte gegen kommunistischen Behörden
11.15 Uhr. Anruf der Kreisregistriersabteilung Görlitz, Untermarkt 16, die Massen erbrechen die Türen und verprügeln.
11.16 Uhr. Anruf Kreisgericht Görlitz, die Massen dringen in die Diensträume des Staatlichen Notariats und der Staatsanwaltschaft ein und verlangen Einsicht in Akten.
11.22 Uhr. Anruf der Abt. Berufsausbildung und der Abteilung Arbeit, Leninplatz: Demonstrationszug eingedrungen, reißen Bilder und Plakate demokratischen Inhalts ab.
13.50 Uhr. Kreisleitung: Genosse Weichhold wird vom Demonstrationszug Richtung Leninplatz mitgeführt.
13.59 Uhr. Habitschke, Platz der Befreiung, meldet: Mitglieder der Kreisleitung werden zusammengeschlagen, befreite Häftlinge aufgefordert, nach Berlin zu fahren.
14.15 Uhr. Der ABV, Polizeimeister Werner, meldet, dass Gen. Carl Weichhold und noch ein Mitglied der SED-Kreisleitung in den „Görlitzer Hof“ geschleppt wurden, wo man sie beabsichtige aufzuhängen.
18. 45 Uhr. Grenzpolizei, Posten Zodel: 18 bis 20 Uhr ist in Zodel Demonstration geplant. In Ober-Ludwigsdorf sind sämtliche Funktionäre eingesperrt.
Erwin Roth erlebte den 17. Juni 1953 als Schulkind. Er erinnert sich an die Erzählungen seiner Eltern und weiß auch noch, dass ihm damals die Angst überfiel. Er stellt die Situation dar: „Plötzlich schwenkten die ersten Reihen des Zuges nach links von der Straße ab und stürzten eine große freistehende Plakattafel um, die eine kommunistische Losung trug. Am Straßenrand standen zudem zwei russische Soldaten, die entweder Streife liefen oder Ausgang hatten. Diese amüsierten sich zu dieser frühen Stunde des Tages sogar noch über das Treiben“.
Horst E. Teichmann war 1953 Produktionsleiter im VEB Luft- und Wärmetechnik Weinhübel. Der damals 26-Jährige erinnerte sich später in der Romantrilogie „Donnerwetter im schlesischen Himmelreich“ unter dem Namen „Marcus“ autobiografisch auch an jene bewegte Zeit. Über die Handlung gegen die Kommunisten, erzählt er: „Ihnen ging erst ein Licht auf, als sie sahen, wie sämtliche Transparente heruntergerissen wurden. Die lärmende Masse wälzte sich zum Rathaus. In der SED-Kreisleitung sah es wüst aus. Zerfetzte Fahnen, zerstörte Möbel, all das war die Quittung für das leichtsinnige Verhalten des 1. Kreissekretärs Weichold. Er war einen Tag vorher rechtzeitig von der Bezirksleitung über die Situation informiert worden. Er aber schlug die Warnung in den Wind“.
Am 18. Juni:
1.45 Uhr. Anruf SED-Kreisleitung: König, Zimmermann und Schröder, alle drei Gersdorf, haben am 17. Juni, gegen 17 Uhr, in der Bürgermeisterei Gersdorf Bilder zerstört und Transparente heruntergerissen sowie Akten durchstöbert.
9.40 Uhr: Aus dem EKM wird bekannt, dass etwa 500 bis 600 Menschen versammelt sind und den Parteisekretär schlagen.
Die Freilassung der Häftlinge
11.10 Uhr. Anruf Pförtner des Kreisgerichts, die Menge hat das Tor zum Kreisgericht aufgebrochen und stürmt ins Innere.
14.45 Uhr. Post-Lehrlingsheim auf der Jakobstraße in Görlitz meldet, dass Häftlinge in dasselbe eingebrochen sind und zu Essen verlangen.
15.15 Uhr. Freigelassene Häftlinge wollen ihre Effekten ausgehändigt bekommen.
Ein sehr interessanter Bericht ist vom Günter Assmann gegeben. Er gelangte im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 zu einiger Berühmtheit: Als 32-Jähriger hat er damals die Zellen im Gefängnis aufgeschlossen. „Ich war damals Sportlehrer an der Schule in Rauschwalde (heute Grundschule 10, Paul-Taubadel-Straße). Als ich um 12 Uhr mit der Straßenbahn von der Haltestelle „Zwei Linden“ nach Hause fahren wollte, kam keine Bahn. Die Menschen erzählten, dass die Lowa streikt und dass eine Demo ist. Daraufhin bin ich mit zwei Kollegen zum Obermarkt geeilt. Als wir ankamen, hörten wir bereits durch den Stadtfunk Rufe nach Freiheit und Einheit. Am meisten hat mich damals berührt, dass viele Menschen von sich aus gekommen waren. Sie hatten die Angst abgeschüttelt, von der Staatssicherheit belauscht zu werden und äußerten sich frei. Einer gab dem anderen die Hand. Das war eine offene Stimmung. Ich war bis 1950 in russischer Gefangenschaft. Als sich die SED die Sowjetunion zum Vorbild nahm, wusste ich, wohin das führt. Für mich war die SED-Herrschaft genau so schlimm wie der Nationalsozialismus“.
Jürgen Wenske erlebte den 17. Juni 1953 als Tischlerlehrling im 2. Lehrjahr im Görlitzer Waggonbau. Vom Streik erfuhr der 18-jährige während des Sportunterrichtes. Er erzählte wie er die Gefängniszelle leer gefunden hat: „Ich suchte das Gefängnis am Postplatz auf. Die Gefängniszellen waren alle geöffnet. In ihnen befand sich kein Inhaftierter mehr. Im Gefängnishof und in den Räumen des Gefängnisses lagen überall verstreut Aktenordner und Schriftstücke, teils zerrissen, herum“.
Günter Baum war 1953 Volontär am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz. Unter dem Pseudonym Waltraud Günter beschrieb er später in seinem Buch „Viel mehr Fleisch als Blut“ die Erlebnisse eines Lehrlings in Görlitz. Sehr interessant ist die Darstellung der Freilassung der Häftlinge: „Man erfuhr, dass Stadtfunk und Post schon fest in der Hand der Anführer waren. Dann setzte man sich in Bewegung in Richtung Postplatz, wo sich das Gefängnis befand. Transparente mit politischen Parolen gingen auf dem Platz in Flammen auf. Die schmiedeeisernen Tore vor dem Gefängnishof waren weit geöffnet, und man konnte in der dicht gedrängten Menge nicht erkennen, wer nun zu den befreiten Gefangenen gehörte. Aus den Fenstern mehrerer Stockwerke regnete es eine Flut von Aktenblätter auf die Straße. Einer der Anwälte hatte es verpaßt, rechtzeitig zu fliehen, und man zerrte ihn nun auf die Straße zu der Menge, die ihm das Aufhängen androhte. Er wurde auf das Eisengitter des Gefängniseingangs gesetzt mit einem Bein auf jeder Seite, an die sich die Leute hängten und ihn dadurch förmlich aufspießten. Der so Gequälte schrie wie von Sinnen, doch die Menge zeigte kein Erbarmen. Kann man Unrecht nur mit neuem Unrecht bekämpfen“.
Liselotte Heinze aus Görlitz nahm 1953 zwei unbekannte Frauen auf, die als angeblich politisch Gefangene im Gefängnis gesessen hatte.
Die Reaktion
Eine der ersten Maßnahmen von Partei und Regierung nach dem Aufstand war die Bildung von so genannten „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“. Dass noch 1953 in fast allen größeren Görlitzer Betrieben zahlreiche Arbeiter noch ausschließlich freiwillig dafür zu gewinnen waren, läßt im Umkehrschluss allerdings auch den Gedanken offen, dass am 17. Juni durchaus nicht alle Arbeiter für besagten Aufstand gewesen sind. Anfangs waren die Karabiner tragenden Kampfgruppenangehörigen innerhalb ihrer Betriebe nur mit blauem Schlosseranzug und roter Armbinde ausgerüstet. Im VEB Feuerlöschgerätewerk, also nicht einmal dem größten Görlitzer Werk, kam noch 1953 eine komplette Hundertschaft an „Genossen Kämpfern“ (so die offizielle Anrede, ob Parteigenosse oder nicht) zustande, die unter Führung von Kommandeur Noack bald schon umfassend ausgebildet wurde. Dazu gab es auch ein spezielles Ausbildungsgelände im Görlitzer Umland (linkes Bild). Es dauerte nicht lange, da gehörten die diversen Görlitzer Kampfgruppen-Hundertschaften zum festen Bild der Mai-Demonstrationen (Bild rechts: 1958 vor dem Görlitzer Theater). Erste Handlung von Mitgliedern der Kampfgruppen war das Ablegen eines feierlichen Gelöbnisses: „Ich bin bereit, als Kämpfer der Arbeiterklasse die Weisungen der Partei zu erfüllen, die Deutsche Demokratische Republik, ihre sozialistischen Errungenschaften jederzeit mit der Waffe in der Hand zu schützen und mein Leben für sie einzusetzen. Das gelobe ich!“.
Am 17. Juni 1953 war der einstige Kommando-Chef Kurt Rolle bei der VP in Görlitz tätig. Als eine bereits verlassene Dienststelle von Demonstranten gestürmt werden sollte, stellte er sich einfach auf den Hof und schrie „Hundertschaft, raustreten!“ Das genügte, um von einem Übergriff Abstand zu nehmen. Die DDR-Illustrierte „NBI“ berichtete später in damals typischer Wortwahl auch noch über eine andere Episode Rolles 1953 in Görlitz: „Mehrere Häftlinge, die der aufgeputschte Mob befreit hatte, sammelte er wieder ein, indem er verkünden ließ, sie sollten sich bei ihm einen ordentlichen Entlassungsschein holen“.
Siegfried Eisenlohr, damals 9 Jahre, verbindet den 17. Juni 1953 mit dem Görlitzer Theater: „Am Nachmittag war Probe wie immer. Ich gehörte zum Kinderballettensemble des Görlitzer Gerhart-Hauptmann-Theaters, der Probenraum war irgendwo auf der Rückseite der Steinstraße. Geübt wurde wie immer, auch war die Gruppe fast vollzählig, und doch blieb diese Probe als etwas unheimlich in Erinnerung: Als draußen Panzer rumpelten, gab es dumpfe Geräusche, und die Oberlichter klirrten und wackelten. Wahrscheinlich war aus irgendeiner Panzerkanone ein Warnschuss abgegeben worden“.
Gottfried Diener war 1953 Bäckermeister in Kollm. Der heute 82-Jährige galt als Rädelsführer des dortigen Aufstandes. Heute lebt er in Baden-Württemberg. Er erzählt seine Angst vor Erschießung: “Rund 150 Demonstranten waren es, die am Abend des 17. Juni 1953 durch Kollm zum Bürgermeister zogen. Er sollte seine Fehler bekennen. Stattdessen schloss sich der erste Mann des Dorfes in seinem Büro ein. Die Menge begibt sich in eine Gaststätte, es wird zur Friedfertigkeit aufgerufen. Gegen 22 Uhr war man der Annahme, den Kommunismus schon besiegt zu haben. Doch kurz nach Mitternacht schon standen Volkspolizisten vor meiner Tür. Bei der ersten Verhaftung hatte ich noch Glück. Der Beamte kannte mich und ließ mich wieder frei. Doch die Polizei rückte noch ein zweites Mal an, mit Haftbefehl vom 20. Juni, und diesmal ist es Ernst. Die Beamten werfen mir Brandstiftungen vor. Als ich mich weigerte, zu unterschreiben, zogen sie Pistolen und drohten mit Erschießung. Am nächsten Morgen brachten sie mich zu einem Lkw, fuhren ins für mich Ungewisse. Ein Bewacher treibt ein psychologisches Spiel: „Kommissar, jetzt sind wir aber an der Kiesgrube vorbeigefahren, wo wir ihn erschießen wollten!“ Vor Gericht lautete mein Urteil auf drei Jahre Freiheitsentzug. In Waldheim verbüßte ich davon 28 Monate, der Rest wurde wegen guter Führung erlassen.
Ingrid Wilcke, von Görlitz schrieb über der damals von der Polizei ausgeübten Gewalt: „Ich war am 17. Juni 19534 auf dem Weg zur Sparkasse und habe gesehen, wie Leute verprügelt worden. Das war nicht gut, ich bin gegen Gewalt. Ich habe auch Russen gesehen, die mit aufgepflanztem Bajonett vor der Kommandantur standen, sehr diszipliniert, und die von den deutschen Demonstranten sehr provoziert wurden. Ich habe damals gedacht: Es ist eigentlich ein Wunder, dass keiner dieser Russen durchdrehte“.
Hans-Günther Aster erzählt über die Kette die die Kasernierte Volkspolizei am Reichenbacher Turm gebildet und mit der sie den Platz abgeriegelt hat. Der Platz war zu räumen und bei Widerstand wurde geschossen. Sein Vater war auch dabei, und protestierte auf einer Tribüne.
Am 18. Juni:
12.15 Uhr. Jugendliche behindern an der Kema die Bewachung des Eingangs und verteilen Flugblätter. KVP-Einheit eingesetzt.
Die Intervention der Russen
Karl Ressel von Görlitz, leitete bis 1989 das Institut für Klinische Diagnostik – Medizinisches Labor auf der Jakobstraße, die einzige Privateinrichtung dieser Art in der DDR. Beschäftigt waren 1953 zwei Medizinisch-technische Assistenten sowie vier Praktikantinnen. An den 17. Juni hat er ganz spezielle Erinnerungen: Er gab einem sowjetischen Offizier eine Schlafstatt. Für Sächsische Zeitung, berichtete er über die sowjetische Intervention: „Wir sind nach vorn, auf die Loggia zur Straßenseite, und tatsächlich: Ungewöhnlich viele Menschen waren unterwegs. Ich ging hinunter und „schwamm“ gegen den Strom, dem Karl-Marx-Platz zu (Wilhelmsplatz). Dort wurde das Deutschlandlied gesungen, das war schon irgendwie ergreifend. Jemand sprach auch, als junge Leute auf den Platz stürmten und riefen: Russenpanzer kommen. Da wußte ich, dass selbst das bißchen, was ich als Aufstand gesehen hatte, nicht weitergehen würde“.
16.15 Uhr. Bahnhofs-Kripo, Jung: Bahnhof Görlitz ist besetzt durch Soldaten der sowjetischen Armee.
Georg Walter hatte Glück mit seinen Russischkenntnisse. Als er auf den Weg zu Hause war, ist mit einer russischen Interventionseinheit getroffen: „Plötzlich waren Russen da, und das verhasste Schulrussisch half mir: Mui idiom domoi, ich will nach Hause“.
Inge Thiemt war 22 Jahre alt und arbeitete als Verkäuferin am Görlitzer Obermarkt. Sie erzählt wie sich die Demonstranten in den Läden, von Angst vor Panzer, versteckt haben: „Es war ja in den Läden damals immer von 13 bis 15 Uhr Mittagsschließung. Nachmittags jedenfalls war ich wieder im Laden, und dann kam auch mit den sowjetischen Militärfahrzeugen Panik auf. Wir haben viele Passanten in den Laden gelassen, abgeschlossen und die Jalousien heruntergerollt, dann war erst einmal abwarten angesagt“.
Nachdem Jürgen Wenske erfuhr, daß eine nächtliche Ausgangssperre für Görlitz erteilt wurde, und an der Freilassung der Häftlinge teilgenommen hat, hat er die russische Intervention gesehen: „Vor beide Bahnhofseingänge hatten sich bereits mit einer Kalaschnikow bewaffnete Sowjetsoldaten gemeinsam mit Angehörigen der KVP gestellt(…)Auf dem Postplatz vor dem jetzigen Fotogeschäft Zaremba, befand sich ein kleiner Lastwagen, besetzt mit Sowjetsoldaten. Bürger der Stadt versuchten den Lastwagen und deren Insassen umzukippen“.
Manfred Rothe hatte in dem Jahre 1953 seine Lehrjahre beendet. Im Juni war der 18-Jährige Rothe Lehrling beim Görlitzer Maschinenbau in der Lutherstraße. Der Aufstand der Arbeiter begann für ihn beim Blick aus dem Kantinenfenster. Er ging mit den Aufständern auf den Straßen und schaffte die Partei und Rat, DSF und GST, FDJ und allerlei mehr ab. Über die sowjetische Intervention, sagte er: „Wir diskutierten mit Offiziersschülern, wir sangen das Deutschlandlied, und wir hörten am Nachmittag dann die Panzer kommen. Die aus Richtung Lodenau fuhren vom Nikolaigraben über die Fleischerstraße auf den Leninplatz hinauf.Die T 34 kamen langsam und laut, und ich spürte es deutlich: Damit ist dieser Streik am Ende“.
Lieselotte Prudisch war am 17. Juni beim Frisör. Auf dem Weg nach Hause, sah sie einen sowjetischen Panzer der am Werktor zum Waggonbau stationiert war. Zu Hause, konnte sie auch vom Balkon andere Panzer beobachten, die aus Richtung Rauschwalde über die Reichenbacher Straße nach Görlitz hereinkamen.
Joachim Richter ist den meisten Görlitzern bekannt als leitender Jugendarzt. Der Obermedizinalrat Dozent Dr. med. habil. war 1953 noch Student und leistete von Juni bis August eine Famulatur in der ehemaligen Haupt´schen Privatklinik. hörte man aus der Richtung vom Grünen Graben her das Dröhnen von Panzermotoren. Aus der Fleischerstraße schob sich ein sowjetischer Panzerspähwagen näher. Der Ruf „Die Russen kommen!“ ging durch die Reihen, was spontan zur Intonierung des Deutschlandliedes führte, das noch mit Inbrunst von den Massen gesungen, laut über den Platz hallte, als bereits sowjetische Panzer und Einheiten der Kasernierten Volkspolizei vom Obermarkt zum Klosterplatz fuhren. Ein Befehl des sowjetischen Militärkommandeurs verkündete den über Görlitz verhängten Ausnahmezustand.
Am 18. Juni, in den Akten der Polizei:
9.10 Uhr. Hauptmann Stiller: Die Gruppen in der Lowa haben sich in die Hallen zurückgezogen. Die Sowjetarmee hat Warnschüsse abgegeben. Dadurch ist die Ruhe im Betrieb wieder hergestellt, jedoch wird nur vereinzelt gearbeitet.
Was ist mit den Aufständern geschehen?
Günter Assmann wurde am 19. Juni verhaftet und jeweils vier Jahre in Waldheim und in Bautzen eingesperrt. Seit 1961 hat er als Lagerverwalter bei der ELG Görlitz gearbeitet, war dann Lohnbuchhalter bei der PGH „Vorwärts“ und schließlich Verwaltungsleiter bei den Städtischen Kunstsammlungen; 1986 wurde er Rentner, und machte eine eine Reise in den Westen woher er nicht mehr wiedergekommen ist.
Peter Mende wurde am 19. Juni verhaftet und verurteilt zu vier Jahre Gefängnis. Er verbrachte die Haft in Bautzen, in einer Strafvollzugsanstalt, wo er doch korrekt behandelt wurde.
Manfred Rothe ging 1961 über Westberlin nach Nürnberg. Nach der Wende kehrte er nach Görlitz zurück und wohnt heute in einem Dorf auf dem Eigenschen Kreis.
Bernd Lattig, sagt, daß Artur Hellwig, der Rundfunkmechaniker dem die Betreuung des damaligen Stadtfunkes oblag und diesen auch für die Demonstrationen zugeschaltet hatte, 20 Jahre lang eingesperrt wurde.
17. Juni, Tag der deutschen Einheit?
Holger Becker, von Berlin sagt 17. Juni 2003 sei kein Tag der deutschen Einheit: „Der 17. Juni wurde über Jahrzehnte hinweg in der DDR gar nicht und in der BRD als Tag der deutschen Einheit begangen. In jener war er arbeitsfrei, was sicher vielen gut gefiel. Der heutige 17. Juni ist nicht arbeitsfrei, aber es gibt viel Trubel. In Politikerreden darf man auf Sätze wie den warten, dass sich mit der Vereinigung von 1990 der Wille (oder gar: das Vermächtnis) der Revoltierenden von 1953 erfülle. Was ebenso ein Unfug ist wie die DDR-Formel vom „faschistischen Putsch“ und die altbundesdeutsche Bezeichnung „Tag der deutschen Einheit“. Denn beide vernachlässigen die Motive jener, die am 17. Juni 1953 aus eigener Entscheidung und mit großem Mut auf die Straße gegangen sind: wegen administrativer Maßnahmen wie der Erhöhung der Arbeitsnormen, der absurden Abschaffung verbilligter Arbeiterrückfahrkarten oder des Entzugs der Lebensmittelkarten für kleine Gewerbetreibende. Damit verschlechterte sich die Lebenslage, der Zorn richtete sich logischer Weise gegen die SED-Führung. Nicht mehr, und nicht weniger“.
Klaus-Jürgen Kretschmar, Nürnberg: „Was war der 17. Juni 1953 nun eigentlich? Ein Arbeiteraufstand? Oder doch ein Volksaufstand? Oder, den meisten Zeitzeugenberichten nach, ein Gymnasiasten-und Lehrlings-Aufbegehren? Jedenfalls waren am Rande und mittendrin auch einige Menschen unterwegs, die einfach nur krakeelten, zerstörten, schlugen. Das wird sogar in den vielen Zeitzeugenberichten deutlich.
Paul Schön, Görlitz meinte über die Tafel vom Postplatz: Am Postplatz hängt diese Tafel. Nur Görlitzer aber wissen, dass mit „Platz der Befreiung“ der ehemalige Name des Postplatzes gemeint ist. Auswärtige stutzen: Warum soll ein Platz, auf dem Menschen umgebracht wurden, ein Platz der Befreiung sein? Vielleicht weil 1953 hier neben Kriminellen auch politische Gefangene befreit wurden? Das aber steht ja nicht drauf. Also: Ehre den Ermordeten ja, aber der überholte Namenszug „Platz der Befreiung“ sollte einfach entfernt werden.
50. Jahrestag des 17. Juni 1953 in diesem Jahr
„Einigkeit und Recht und Freiheit…“ erklang am 17. Juni 1953 auf dem Obermarkt in Görlitz. Damit war der Streik, dessen Anlass ein ökonomischer war und der von Berlin aus viele Städte und Dörfer der ehemaligen DDR erfasste, nicht nur mehr ein Aufbegehren gegen kommunistische Ausbeutung, sondern erhielt eine politische Dimension. Durch diese Strophe des Deutschlandliedes wurde mit vielen tausend Stimmen das eingefordert, was die Menschen wirklich wollten im Gegensatz zu dem, was die Zeitungen die Bevölkerung glauben zu machen versuchten. Ausdruck dafür war in Görlitz unter anderem ein provisorisches Stadtkomitee aus Streikenden, welches die politische Leitung der Stadt zu übernehmen versuchte. Der Ablauf der Ereignisse hätte besser nicht in einem kommunistischen Geschichtsbuch stehen können unter der Überschrift “Revolutionäre Bewegungen”. Es wäre geradezu ein klassisches Beispiel für kommunistische Revolutionäre. Das wurde allerdings von der kommunistischen Führung des Landes nicht so gesehen. Für sie waren die Aufständischen faschistische Putschisten, vom Klassenfeind gedungen und anderes mehr. Es waren “Verräter”, derer man habhaft werden mußte, gleich ob 14 oder 40 Jahre oder älter. Man scheute dabei nicht davor zurück, den Freiheitswillen mit sowjetischen Panzern zu brechen, man scheute nicht davor zurück, die Verhafteten vorverurteilt in den Gerichtssaal zu zerren und der Öffentlichkeit ein betrügerisches Spiel von Gerechtigkeit vorzumachen, man scheute nicht davor zurück, den Gefangenen gegenüber zu psychischen und körperlichen Repressalien zu greifen. Wen man nicht umbrachte, behielt man viele Jahre in Haft, zerstörte Gesundheit, den Wunsch nach Verwirklichung persönlicher Lebensgestaltung oder die Familie.
Bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems war der 17.Juni ein Tabuthema. Es gab auch nicht ansatzweise eine Aufarbeitung der Ereignisse, es gab keine Rehabilitationen. Wer nicht das Glück hatte, in den Westen Deutschlands zu gelangen, musste hier bleiben, weiter unter denen leben, die Recht missbraucht oder gebrochen hatten. Und der direkt Betroffene musste verdrängen. Manche mögen es freiwillig getan haben, weil sie dieses Erlebnis nicht ertragen konnten, aus ihrem Leben auslöschen wollten, andere taten es gezwungenermaßen, weil darüber zu sprechen nicht ganz ungefährlich war.
Und was auch nicht verschwiegen werden darf: Die vielen Betroffenen lebten auch unter uns, die wir dabei waren, aber davonkamen und die wir davon wussten und vielleicht manchmal nichts davon hören wollten oder abwiegelten. Man könnte daraus vielleicht einen Vorwurf entwickeln, aber er brächte jetzt nicht weiter. Was uns aber weiterbringen könnte nach 50 Jahren, ist das Innehalten, um zu erinnern und mit dem Erinnern für die Zukunft vorzubauen. Erinnern müssen und wollen wir, um all denen Achtung zu erweisen, die Opfer wurden. Sie wurden es sicher nicht für sich allein, sondern mussten auch für die anderen mitleiden, waren sie doch der ganzen Wut der Vollstrecker des falschen Rechts ausgesetzt. Sich all dessen zu erinnern ist auch deshalb wichtig, um Unrecht gegenüber sensibel zu machen. Zukunft braucht Herkunft und darin eingeschlossen sind auch die dunklen Seiten unserer Geschichte hier in unserer Stadt.
Um dieser Verpflichtung Rechnung zu tragen, wurde im vergangenen Jahr eine Arbeitsgruppe gegründet, die vom Oberbürgermeister den Auftrag erhielt, für diesen Gedenktag Vorbereitungen zu treffen. Es sollen die Ereignisse und ihre Träger ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt werden.
Für die DDR-Führung war der Aufstand ein “faschistischer Putsch”. Der Deutsche Bundestag erklärte den 17. Juni per Gesetz zum “Tag der Deutschen Einheit”, und er blieb der nationale Feiertag der Bundesrepublik Deutschland bis 1990. Heute, 50 Jahre nach dem Aufstand und 13 Jahre nach dem Ende der DDR erscheint der 17. Juni als ein Jahrestag der Zeitgeschichte wie viele andere.
Abkürzungserklärungen:
SVA = Strafvollzugsanstalt (Gefängnis) Platz der Befreiung (Postplatz); ABV = Abschnittsbevollmächtigter der Volkspolizei; BS = Betriebsschutz; MdI = Ministerium des Innern; KVP = Kasernierte Volkspolizei; BdVP = Bezirksbehörde der Volkspolizei
……..